Neues Forschungsprojekt will das Screening für pharmazeutische Wirkstoffe beschleunigen


Über 11 Mio. Euro Förderung

Höchstauflösende Aufnahme einer lebenden menschlichen Krebszelle. ©Abberior GmbH

Im Januar ist das BMBF-geförderte Projekt HRDS (High Resolution Drug Screening) gestartet. Die Forschenden wollen die Prüfung von pharmazeutischen Wirkstoffen für Medikamente mit einem höchstauflösenden Lichtmikroskop und Künstlicher Intelligenz (KI) verbessern. Mit der Abberior GmbH und der Lead Discovery Center GmbH sind auch zwei Max-Planck Ausgründungen beteiligt.

Weltweit besteht ein hoher Bedarf an neuen Medikamenten, beispielsweise um Krebserkrankungen oder aber schwere Infektionen (Sepsis) zu bekämpfen. Auf der Suche nach geeigneten Wirkstoffen müssen Forschende unendlich viele Substanzen auf ihre Wirksamkeit prüfen und richtig einordnen. In der frühen Entwicklungsphase setzen sie dafür Screening-Verfahren ein, die zwar schnell sind, aber oftmals nur zeigen, dass ein Wirkstoff mit dem Zielobjekt, beispielsweise einer Zelle, agiert. Was da genau passiert, zeigt oft erst der Blick durch das Mikroskop.
Die Mikroskope, die der Pharmaindustrie derzeit dafür zur Verfügung stehen, haben jedoch in der Regel eine viel zu geringe Auflösung, um die einzelnen Bestandteile einer Zelle detailliert genau genug darzustellen. So bleiben beispielsweise mögliche Andockstellen für Wirkstoffe in der Zellenmembran, die sogenannten Rezeptoren, quasi im Dunkeln.

Höchstauflösendes Lichtmikroskop plus KI für schnelles und effizientes Screening

Genau da setzt das Förderprojekt HRDS an: Das Forschungsteam um den Göttinger Wissenschaftler und Nobelpreisträger Professor Stefan Hell (Direktor am Max-Planck-Institut (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen und am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg) zusammen mit Dr. Gerald Donnert (Abberior GmbH, Göttingen) und Dr. Bert Klebl (Lead Discovery Center GmbH, Dortmund) sowie Professor Stefan Jakobs (Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie, Göttingen) will in den kommenden drei Jahren ein neues Verfahren zum Screening von Wirkstoffen für Medikamente auf den Weg bringen.

Der Schlüssel für mehr Tempo bei der Suche nach pharmazeutischen Wirkstoffen liegt darin, Künstliche Intelligenz mit einem schnellen, höchstauflösenden Lichtmikroskop zu kombinieren, welches auf dem von Hell entwickelten STED-Verfahren (STED = Stimulated Emission Depletion) basiert. Mit dieser Erfindung haben die Forschenden um Stefan Hell am damaligen MPI für biophysikalische Chemie die Lichtmikroskopie revolutioniert. Sie haben als Erste einen Weg gefunden, die Abbesche Auflösungsgrenze von Lichtmikroskopen radikal zu unterlaufen. So kann dieses Mikroskop Strukturen scharf abbilden, die kleiner als 200 nm (Nanometer also Millionstel Millimeter) sind – sogar in lebenden Zellen.

Die KI sorgt dann für die automatische Auswertung der Bilder. Mit ihrer Hilfe kann das System wichtige Zellstrukturen selbstständig erkennen und das beschleunigt die Analyse von neuen Wirkstoffkandidaten. Hierbei spielen Fluoreszenzfarbstoffe eine wichtige Rolle. Die Abberior GmbH, eine Ausgründung des MPI für biophysikalische Chemie, bringt unter anderem ihre auf MPI-Technologie basierenden Fluoreszenzfarbstoffe, die speziell für hochauflösende Mikroskopie-Methoden wie STED und MINFLUX entwickelt wurden, sowie ihre entsprechende Expertise in das Projekt ein. Mit Hilfe dieser speziellen Farbstoffe und fluoreszierender Sonden sollen Assays entwickelt werden, die das hochauflösende Wirkstoffscreening ermöglichen.

Industrielle Partner und Perspektiven des Verfahrens

Bis Ende 2025 wollen die industriellen Projektpartner das innovative Verfahren gemeinsam zum Erfolg führen und so zu einem höheren Tempo bei der Entwicklung neuer, hochwirksamer Medikamente beitragen – zum Nutzen der Patienten und des Gesundheitssystems. Wenn alles gut läuft und das Verfahren bei den Partnern zum Einsatz kommt, eröffnen sich große Chancen für Deutschland im Bereich der Medizintechnik und Pharmazie.

Die Verbundpartner im Projekt „Höchstauflösendes Wirkstoffscreening – HRDS“ sind die Abberior GmbH und das Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie (ITMP) aus Göttingen, das Max-Planck-Institut für medizinische Forschung aus Heidelberg und die Lead Discovery Center GmbH (LDC) aus Dortmund. Das LDC wurde 2008 von der Technologietransferorganisation Max-Planck-Innovation als neuartiger Ansatz gegründet, das Potenzial exzellenter Forschung für die Entdeckung neuer Therapien für Krankheiten mit hohem medizinischem Bedarf zu nutzen. Das Unternehmen bringt seine Expertise und Infrastruktur im Bereich der Wirkstoffforschung und -screening in das HRDS-Projekt ein. HRDS wird im Rahmen der Förderrichtlinie „KMU-innovativ: Photonik und Quantentechnologien“ in den kommenden drei Jahren mit 11,7 Millionen Euro gefördert.


Über die Abberior GmbH

Als Spin-off aus dem Labor von Prof. Stefan W. Hell gegründet, hat sich Abberior zu einem weltweit führenden Innovator und Hersteller von hochmodernen hochauflösenden und konfokalen Mikroskopen entwickelt. Als einziger Hersteller von hochauflösenden Mikroskopen entwickelt und vertreibt Abberior proprietäre fluoreszierende Farbstoffe und Markierungen, die sich ideal für hochauflösende Mikroskope eignen, wie STED, MINFLUX, GSD, PALM, STORM, GSDIM, SIM und RESOLFT. Auch in der Konfokal- und Epifluoreszenzmikroskopie sowie in Einzelmolekülanwendungen liefern sie hervorragende Ergebnisse. Unsere Mission ist es, der führende Anbieter von fluoreszierenden Markierungen in der hochauflösenden Mikroskopie zu werden.
www.abberior.rocks

Über das Lead Discovery Center

Die Lead Discovery Center GmbH wurde 2008 von der Technologietransfer-Organisation Max-Planck-Innovation gegründet, um das Potenzial exzellenter Grundlagenforschung für die Entwicklung neuer, dringend benötigter Medikamente besser zu nutzen. Das Lead Discovery Center nimmt vielversprechende Projekte aus der akademischen Forschung auf und entwickelt sie typischerweise weiter bis zu pharmazeutischen Leitstrukturen („Proof-of-Concept“) in Modellsystemen. In enger Zusammenarbeit mit führenden Partnern aus der akademischen Forschung und der Industrie entwickelt das Lead Discovery Center ein umfangreiches Portfolio an Projekten im Bereich niedermolekularer Wirkstoffe sowie therapeutische Antikörper mit außergewöhnlich hohem medizinischem und kommerziellem Potenzial.
Das Lead Discovery Center ist der Max-Planck-Gesellschaft langfristig verbunden und arbeitet mit Partnern wie AstraZeneca, Bayer, Boehringer Ingelheim, Daiichi Sankyo, Johnson & Johnson Innovation, Merck KGaA, Qurient, Roche, Sotio, verschiedenen Investoren sowie mit führenden Zentren für Wirkstoffforschung weltweit zusammen.
Weitere Informationen: www.lead-discovery.de

Über das Max-Planck-Institut für medizinische Forschung

Am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung arbeiten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus der Physik, der Chemie und der Biologie, um Erkenntnisse zu gewinnen, die langfristig für die Medizin wichtig sein könnten. Zentrales Thema sind die immens komplexen Wechselwirkungen zwischen Makromolekülen in der lebenden Zelle - egal ob gesund oder krankhaft. Sie zu beobachten und zu manipulieren, steht dabei im Mittelpunkt. Dazu tragen die derzeit vier Abteilungen am Institut mit ihrer komplementären Expertise bei: Sie widmen sich der optischen Mikroskopie mit Nanometerauflösung, dem Design chemischer Reportermoleküle, der Bestimmung der atomaren Struktur von Makromolekülen und der zellulären Materialwissenschaft und Biophysik.
www.mr.mpg.de/de

Über das ITMP

Das Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP erforscht und entwickelt innovative Wege zur Früherkennung, Diagnose und Therapie von Erkrankungen in Folge gestörter Funktionen des Immunsystems. Es umfasst drei Forschungsbereiche »Drug Discovery«, »Präklinische Forschung« und »Klinische Forschung«. Das Fraunhofer ITMP versteht sich hierbei als starker Partner sowohl für die Universitätsmedizin zur konsequenten Translation von Forschungserkenntnissen in die Anwendung als auch für die pharmazeutische und biotechnologische Industrie.
www.itmp.fraunhofer.de/

Über Max-Planck-Innovation

Als Technologietransfer-Organisation der Max-Planck-Gesellschaft ist Max-Planck-Innovation das Bindeglied zwischen Industrie und Grundlagenforschung. Mit unserem interdisziplinären Team beraten und unterstützen wir die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Max-Planck-Institute bei der Bewertung von Erfindungen, der Anmeldung von Patenten sowie der Gründung von Unternehmen. Der Industrie bieten wir einen zentralen Zugang zu den Innovationen der Max-Planck-Institute. Damit erfüllen wir eine wichtige Aufgabe: Den Transfer von Ergebnissen der Grundlagenforschung in wirtschaftlich und gesellschaftlich nützliche Produkte.

Weitere Informationen finden Sie unter www.max-planck-innovation.de.

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Markus Berninger

Diplom-Kaufmann, geprüfter Grafik-Designer

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