Gezielte Immunstimulation für wirksamere Impfstoffe


Cutanos, eine Ausgründung der Max-Planck-Gesellschaft, entwickelt neuartige Impfungen und Immuntherapien

Zu sehen ist eine Langerhans-Zelle, die das Langerhans Cell Targeted Delivery System (LC-TDS) aufgenommen hat (rot markiert). © Cutanos GmbH

Über die Haut könnte sich das Immunsystem künftig besonders wirkungsvoll stimulieren lassen. Die Cutanos GmbH, eine Ausgründung des Max-Planck-Instituts (MPI) für Kolloid- und Grenzflächenforschung, hat ein entsprechendes Verfahren zur Modulation von Immunzellen in der Haut entwickelt. So ermöglicht es die LC-TDS-Technologie, bestimmte Zellen des Immunsystems gezielt zu beeinflussen und so verschiedene Infektionen und Krankheiten zu bekämpfen. Das im Januar in Wien gegründete Start-up hat nun eine exklusive Lizenz mit der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) über das Verfahren abgeschlossen und entwickelt auf dessen Grundlage nun innovative Immuntherapien.

Bakterien und Viren werden über Antigene, also molekulare Bestandteile, die für sie spezifisch sind, von verschiedenen Zellen des Immunsystems erkannt. Diese Antigene werden daher bevorzugt im Zuge von Impfungen oder Immuntherapien eingesetzt, um das Immunsystem im Kampf gegen die Krankheitserreger zu trainieren. Sie werden jedoch dabei von einer Vielzahl verschiedener Rezeptoren auf unterschiedlichen Immunzellen wahrgenommen, was zu teils divergenten Reaktionen des Immunsystems führt. Ein neues Verfahren, das am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam entwickelt wurde, ermöglicht es nun erstmals, gezielt nur eine ganz bestimmte Immunzellart mit Antigenen zu beliefern, um eine kontrollierte Immunreaktion auszulösen. Diese so gennannten Langerhans-Zellen befinden sich vorwiegend in der obersten Hautschicht (Epidermis) und verfügen über den für sie spezifischen Rezeptor Langerin. Die am MPI entwickelte Technik ermöglicht über einen künstlich hergestellten Liganden, der nur an Langerin bindet, einen exklusiven Zugang zu diesen Immunzellen.

LC-TDS Technologie ruft gewünschte Immunreaktion hervor

Der Langerin-spezifische Ligand ist der Kern des Langerhans Cell Targeted Delivery System (LC-TDS). Das modulare System umfasst neben dem Liganden ein Transportsystem (Vehikel), sowie die auszuliefernden Wirkstoffe, beziehungsweise Antigene (Cargo). Der Ligand ist ein kleines synthetisch erzeugtes Molekül, das in großer Zahl auf der Oberfläche des Carriers sitzt. Aufgrund seiner hohen Bindungsspezifität für Langerin sorgt er dafür, dass das Vehikel von den Langerhans-Zellen wie ein natürliches Pathogen wahrgenommen und verarbeitet wird. Als Vehikel dienen Liposomen, Proteine, LNPs (Lipidnanopartikel) oder andere Mikropartikel. Studien an epidermalen Zell-Suspensionen als auch an menschlichen Hautexplantaten haben gezeigt, dass das LC-TDS von 97 Prozent der Langerhans-Zellen aufgenommen wird; wohingegen nur 0,1 Prozent andere, sogenannte Off-Target-Zellen, adressiert wurden. Diese hohe Spezifität und Selektivität erlauben einen äußerst gezielten Transport der mitgeführten Wirkstoffe. Als Cargos können kleine Moleküle, Peptide, Proteine oder mRNA eingesetzt werden. Da die adressierten Langerhans-Zellen in der obersten Hautschicht sitzen, lässt sich das LC-TDS über minimal-invasive Mikronadeln verabreichen.

Da Langerhans-Zellen als Vermittler von Immunität und Toleranz in der Lage sind, zwischen fremden und körpereigenen Antigenen zu unterscheiden, lässt sich das LC-TDS- in unterschiedlichen Bereichen zur Immunaktivierung und -regulation anwenden. Cutanos arbeitet daher sowohl an antiviralen Impfstoffen als auch an Therapien für Autoimmunerkrankungen. Darüber hinaus können über die Wirkstoffabgabe auch gezielt krebsartige Langerhans-Zellen abgetötet werden, wie es zum Beispiel bei Langerhans-Zell-Histiozytose notwendig ist.

Finanzierung sichert Entwicklung

Die Cutanos GmbH hat sich zum Ziel gesetzt, das LC-TDS zur Marktreife weiterzuentwickeln und international zu vermarkten. Hierfür hat sie Büro- und Laborräumlichkeiten am Campus der Universität Wien angemietet, wo sie Zugriff auf die Forschungs-Infrastrukturen der Einrichtung hat. Die beiden Gründer Prof. Dr. Christoph Rademacher und Dr. Robert Wawrzinek haben die Methode, damals gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern, am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in der Abteilung von Peter H. Seeberger konzipiert und nun im Rahmen ihrer im Januar gestarteten Ausgründung exklusiv lizenziert. Darüber hinaus konnte sich das Start-up im Rahmen einer aktuellen Seed-Finanzierungsrunde Gelder durch ein internationales Investorenkonsortium sichern.


Die erfolgreiche Ausgründung von Cutanos ist ein perfektes Beispiel dafür, wie Durchbrüche in der Grundlagenforschung zur Umsetzung gebracht werden, damit wichtige medizinische Herausforderungen adressiert werden können.

Prof. Dr. Peter H. Seeberger
Direktor der Abteilung Biomolekulare Systeme am MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung


Das Geschäftsmodell der Cutanos GmbH sieht vor, die Technologie künftig auch auf die individuellen Bedürfnisse seiner Kunden aus den Bereichen Biotech und Pharma anzupassen. So wird die Firma das Design, die Formulierung und die präklischen in vitro- und in vivo-Experimente zur Erstellung individueller LC-TDS-Lösungen anbieten. Darüber hinaus wird Cutanos, nach erfolgreichen Proof of Concepts (PoCs), die Anwendung ihrer Methode für die Indikationen Antivirale Impfstoffe, Graves-Krankheit und Langerhans-Zell Histiozytose bis in die klinische Entwicklung vorantreiben.

Max-Planck-Innovation, die Technologietransfer-Organisation der MPG, hat die Gründung des Start-Ups lange unterstützt und begleitet und hat nun die LC-TDS Technologie an das Unternehmen lizenziert.


Der LC-TDS-Ansatz der Cutanos GmbH begeistert uns sehr. Der unermüdliche Einsatz der Wissenschaftler hat zusammen mit dem vom KHAN Technology Transfer Fund I (KHAN-I) finanzierten SARS-CoV2-Projekt schließlich der Gründung zum Durchbruch verholfen und den Grundstein für die aktuelle Finanzierung gelegt. Wir freuen uns, dass die beiden Miterfinder Prof. Christoph Rademacher und Dr. Robert Wawrzinek weiterhin ihre große Expertise auf diesem Gebiet einbringen, um die Technologie zur Marktreife und somit an den Patienten zu bringen.

Dr. Mareike Göritz
Senior Patent- und Lizenzmanagerin bei Max-Planck-Innovation


Über die Cutanos GmbH

Durch ein modular und hoch flexibles Drug Delivery System möchte das im Januar 2021 in Wien gegründete Unternehmen Cutanos Antigen-spezifische Immuntherapien entwickeln, um antivirale Impfstoffe wie auch Behandlungen für Autoimmunerkrankungen zu realisieren. Als Ausgründung des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung, wird das Forscherteam von der österreichischen Hauptstadt, finanziert durch ein Investorenkonsortium (u.a. KHAN-I, HTGF und IST cube) die ganze Bandbreite ihrer Plattformtechnologie aufzeigen.
www.cutanos.com

Über das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung

Winzige Apatitkristalle in den Knochen, Vesikel, die sich aus Membranen bilden, aber auch Poren in Membranen für Brennstoffzellen oder Mikrokapseln als Vehikel für Medikamente – sie alle bilden Strukturen, die größer als ein Atom, aber zu klein für das bloße Auge sind. Solche Nano- und Mikrostrukturen untersuchen und erzeugen die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung. Dabei handelt es sich oft um Kolloide – winzige Teilchen in einem andersartigen Medium – oder Grenzflächen zweier Stoffe. Viele dieser Strukturen finden sich in der Natur. Deren Aufbau und Funktion wollen die Potsdamer Forscher verstehen, um sie anschließend in neuen Materialien oder in Impfstoffen zu imitieren. Oder um die Ursachen bestimmter Krankheiten zu erkennen, die auftreten, wenn die Membranfaltung oder der Stofftransport in Zellen nicht richtig funktionieren.
www.mpikg.mpg.de

Über Max-Planck-Innovation

Als Technologietransfer-Organisation der Max-Planck-Gesellschaft ist Max-Planck-Innovation das Bindeglied zwischen Industrie und Grundlagenforschung. Mit unserem interdisziplinären Team beraten und unterstützen wir die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Max-Planck-Institute bei der Bewertung von Erfindungen, der Anmeldung von Patenten sowie der Gründung von Unternehmen. Der Industrie bieten wir einen zentralen Zugang zu den Innovationen der Max-Planck-Institute. Damit erfüllen wir eine wichtige Aufgabe: Den Transfer von Ergebnissen der Grundlagenforschung in wirtschaftlich und gesellschaftlich nützliche Produkte.

Weitere Informationen finden Sie unter www.max-planck-innovation.de

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Markus Berninger

Diplom-Kaufmann, geprüfter Grafik-Designer

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