Corona: Impfung ohne Nadel?


Wissenschaftler entwickeln ein Verfahren, mit dem ein Impfstoff über die Haut aufgenommen werden kann

Die Arbeitsgruppe von Christoph Rademacher (rechts) am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. © MPI f. Kolloid- und Grenzflächenforschung

Das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam und der Technologietransfer-Fond KHAN-I entwickeln gemeinsam mit dem Lead Discovery Center in Dortmund ein Impfverfahren gegen SARS-CoV2. Die Forscherinnen und Forscher hoffen, in den kommenden Jahren über den gezielten Impfstofftransport über die Haut Immunität und Schutz gegen das Virus aufbauen zu können.

SARS-CoV2 hat mittlerweile über 3,6 Millionen Menschen weltweit infiziert und ist verantwortlich für über 250.000 Todesfälle. Die Dunkelziffer wird deutlich höher eingeschätzt. Für Milliarden Menschen bestimmt diese Pandemie gegenwärtig den Lebensalltag und auch langfristig sind die Auswirkungen auf Weltwirtschaft und Gesundheitssysteme schwerwiegend. In Industrie und akademischer Forschung wird über viele Lösungsansätze an der schnellen Entwicklung eines wirksamen, anhaltenden Impfschutzes gearbeitet, der in der Zukunft die Notwendigkeit drastischer Maßnahmen zur Ausbreitungsbeschränkung solcher Erkrankungen vermeiden kann.

Impfstoffe stellen die einzige langfristige Möglichkeit dar, einen Erreger zu bekämpfen. Im Zusammenhang mit SARS-CoV2 werden vor allem neuartige und schnell auf neue Viren anpassbare Impftechnologien forciert, die auf die Applikation von Nukleinsäure-Wirkstoffen oder Verwendung von Adenovirus-Vektoren beruhen. Fast alle dieser Technologien beruhen auf der Injektion des Impfstoffs in den Muskel des Patienten.

Gezielte Aktivierung der Langerhans Zellen

In der Haut ist die Dichte der Immunzellen allerdings höher als in Muskeln: Hier befinden sich auch die sogenannten Langerhans-Zellen. Diese Zellen aktivieren und koordinieren die antivirale Antwort im Körper.

Die Arbeitsgruppe von Christoph Rademacher am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung hat eine neue Plattformtechnologie entwickelt, mit dem diese Langerhans-Zellen gezielt angesprochen werden können. Dieses System soll es ermöglichen, Impfstoffe direkt auf die Haut aufzutragen oder mit Mikronadeln zu injizieren. Dafür nutzt das System die natürlichen Mechanismen des Immunsystems.


Wir gehen davon aus, dass unser System alle Impfstoffe freisetzen kann, die Proteine, Peptide oder mRNA verwenden.

Christoph Rademacher
Gruppenleiter am Potsdamer Max-Planck-Institut und Haupterfinder der neuen Technologie


Neue Plattformtechnologie ermöglicht effiziente Freisetzung des Impfstoffs

Die zentrale Rolle spielt ein hoch-spezifischer chemischer Baustein, der das Andocken ausschließlich an Langerhans-Zellen ermöglicht und dort eine effiziente Freisetzung des Impfstoffs erlaubt. Mit der Anpassung der bestehenden Plattform auf SARS-CoV2 versuchen die Forscherinnen und Forscher mithilfe der Finanzierung von KHAN-I nun ein schnell verfügbares Impfverfahren zu entwickeln.


Die Finanzierung durch KHAN-I ist der erste Schritt für diese Technologie in die unternehmerische Selbstständigkeit als künftige Cutanos GmbH, der wir mit großer Hoffnung auf eine breite Anwendbarkeit entgegensehen. Weitere Investoren sind willkommen.

Bert Klebl
Geschäftsführer von KHAN-I


Durch die vom KHAN-I Fund finanzierte Zusammenarbeit zwischen Lead Discovery Center und Max-Planck-Institut wurden äußerst kompetente Partner zusammengebracht und ein sehr guter Weg gefunden, die vielversprechende Technologie schnell für die Entwicklung eines SARS-CoV2-Impfstoffs zur Verfügung stellen zu können.

Mareike Göritz
Patent- und Lizenzmanagerin beim Lizenzgeber und Vertragspartner Max-Planck-Innovation



Über Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung

Im Mittelpunkt steht die Erforschung und Kontrolle von sehr kleinen bzw. sehr dünnen Strukturen im Nano- und Mikrometerbereich. Diese winzigen Strukturen bestimmen die Eigenschaften von Materialien und Bio-Systemen. Ein tieferes Verständnis ist Schlüssel für zahlreiche Innovationen wie z.B. neuartige Impfstoffe, intelligente Wirkstoffträger sowie adaptive Biomaterialien. Auch an der Energiegewinnung der Zukunft und der Vermeidung von CO2-Emissionen wird hier geforscht.

 

Über KHAN-I

KHAN-I ist ein Technologietransfer-Fond, der Ende 2019 ins Leben gerufen wurde, u.a. mit Mitteln des Europäischen Investitionsfonds, der Austria Wirtschaftsservice GmbH und der Max-Planck-Förderstiftung. Er investiert in Projekte und Start-up Firmen, die innovative Therapien entwickeln.

 

Über Lead Discovery Center

Die Lead Discovery Center GmbH wurde 2008 von der Technologietransfer-Organisation Max-Planck-Innovation gegründet, um das Potenzial exzellenter Grundlagenforschung für die Entwicklung neuer, dringend benötigter Medikamente besser zu nutzen. Das Lead Discovery Center nimmt vielversprechende Projekte aus der akademischen Forschung auf und entwickelt sie typischerweise weiter bis zu pharmazeutischen Leitstrukturen („Proof-of-Concept“ in Modellsystemen). In enger Zusammenarbeit mit führenden Partnern aus der akademischen Forschung und Industrie entwickelt das Lead Discovery Center ein umfangreiches Portfolio an Projekten im Bereich niedermolekularer Wirkstoffe sowie therapeutische Antikörper mit außergewöhnlich hohem medizinischem und kommerziellem Potenzial. Weitere Informationen: www.lead-discovery.de

 

Über Max-Planck-Innovation

Als Technologietransfer-Organisation der Max-Planck-Gesellschaft ist Max-Planck-Innovation das Bindeglied zwischen Industrie und Grundlagenforschung. Mit unserem interdisziplinären Team beraten und unterstützen wir die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Max-Planck-Institute bei der Bewertung von Erfindungen, der Anmeldung von Patenten sowie der Gründung von Unternehmen. Der Industrie bieten wir einen zentralen Zugang zu den Innovationen der Max-Planck-Institute. Damit erfüllen wir eine wichtige Aufgabe: Den Transfer von Ergebnissen der Grundlagenforschung in wirtschaftlich und gesellschaftlich nützliche Produkte.

Weitere Informationen finden Sie unter www.max-planck-innovation.de.


Originalveröffentlichungen

  • Wong, E., et al., Langerhans Cells Orchestrate the Protective Antiviral Innate Immune Response in the Lymph Node. Cell Rep, 2019. 29(10): p. 3047-3059 e3.
  • Wamhoff, E.C., et al., A Specific, Glycomimetic Langerin Ligand for Human Langerhans Cell Targeting. ACS Cent Sci, 2019. 5(5): p. 808-820.
  • Schulze, J., et al., A Liposomal Platform for Delivery of a Protein Antigen to Langerin-Expressing Cells. Biochemistry, 2019. 58(21): p. 2576-2580.

 

 

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